Was muss ein Arbeitgeber bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer oder Tätigkeiten im Ausland beachten?

Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer, Tätigkeit im Ausland, Grenzgänger

In den letzten Jahren ist es durchaus üblich geworden, als deutscher Arbeitnehmer für den Arbeitgeber im Ausland tätig zu sein. Genauso kommen ausländische Arbeitnehmer nach Deutschland um hier Aufgaben zu erledigen.

Manche Arbeitnehmer wohnen im Grenzgebiet und pendeln zur Arbeit in das jeweilige Nachbarland.

Aus diesen Beschäftigungsarten ergeben sich einige Besonderheiten hinsichtlich der Sozialversicherung.
Es stellt sich die Frage welches Sozialversicherungssystem ist anzuwenden?

Begrifflichkeiten für Tätigkeiten Ausland oder Grenzverkehr

Bei der Beurteilung solcher Beschäftigungen tauchen bestimmte Begriffe auf die im Nachgang erläutert werden sollen.

  • Einstrahlung
  • Ausstrahlung
  • Grenzgänger

Genauso spielt der Arbeitsort eine Rolle. Handelt es sich um ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem vergleichbaren Staat? Ist es ein Land mit dem ein Sozialversicherungsabkommen besteht? Oder handelt es sich um vertragsloses Ausland?

Sozialversicherung

Grundsätzlich gilt in der Sozialversicherung das Territorialprinzip. Das heißt: Wird eine Tätigkeit in Deutschland ausgeübt, ist grundsätzlich das deutsche Sozialversicherungsrecht anzuwenden. Der Beschäftigungsort ist also maßgebend.

Die Nationalität des Arbeitnehmers, der Hauptsitz des Betriebes, der Wohnort im Ausland oder der vorübergehende Wohnort in Deutschland spielen zunächst keine Rolle.

Was ist ein Grenzgänger?

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit bestimmt den Begriff des Grenzgängers wie folgt: Ein "Grenzgänger" ist eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt; ...“

Grenzgänger sind also Personen, die dauerhaft in Deutschland arbeiten aber ihren Wohnsitz im Ausland haben. Charakteristisch ist eine häufige Heimkehr an den Wohnort.

Die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen richten sich für Arbeitnehmer nach dem Beschäftigungsort. Da ein Grenzgänger eine Beschäftigung in Deutschland ausübt, unterliegt er dem deutschen Sozialversicherungsrecht. Dies gilt selbst dann, wenn der Grenzgänger in seinem Wohnland (teilweise) beitragsfrei einem staatlichen Versorgungssystem angehört (z.B. in Dänemark).
Umgekehrt gilt dann natürlich das Recht des Staates wenn ein deutscher Arbeitnehmer als Grenzgänger im Nachbarausland tätig ist.

Was bedeutet Einstrahlung?

Die Vorschriften der Sozialversicherung über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung von Arbeitnehmern gelten grundsätzlich für alle Beschäftigten oder Selbständigen, die in Deutschland tätig sind. (§3Nr.1 SGB IV)

Für ausländische Arbeitnehmer gilt also das Territorialprinzip. Der Beschäftigungsort ist Deutschland. Somit ist grundsätzlich deutsches Sozialversicherungsrecht anzuwenden.

Allerdings gibt es eine Besonderheit. Wird ein Arbeitnehmer von einem ausländischen Arbeitgeber nur vorübergehend in Deutschland beschäftigt muss eine Prüfung erfolgen ob er hier Sozialversicherungspflichtig wird.

Folgende Kriterien sind maßgebend:

  • Die Beschäftigung im Ausland muss fortbestehen.
  • Das Weisungsrecht des ausländischen Arbeitgebers muss grundsätzlich weiterbestehen.
  • Der Anspruch auf Entgelt besteht gegen den ausländischen Arbeitgeber.

Sind diese Kriterien erfüllt, handelt es sich um eine Entsendung nach ausländischem Recht. Es entsteht keine Sozialversicherungspflicht in Deutschland.
Es sind keine Meldungen zu erstatten und keine Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Allerdings entsteht auch kein Leistungsanspruch gegenüber der deutschen Sozialversicherung.

Allerdings kann ein deutsche Krankenkasse Leistungen für die ausländische Krankenversicherung als Leistungsaushilfe übernehmen.

Das Vorliegen einer Einstrahlung ist durch den ausländischen Sozialversicherungsträger zu prüfen und zu bescheinigen.

Es liegt keine Entsendung vor, wenn ein deutscher Arbeitnehmer in Deutschland in der Vertretung bzw. dem Tochterunternehmen eines ausländischen Konzerns arbeitet.

Hinsichtlich einer Entsendung eines Leiharbeitnehmers ist zu beachten, dass das Verleihunternehmen, das einen Arbeitnehmer vorübergehend in Deutschland einsetzt, über die erforderliche Verleiherlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verfügen muss. Ist dies nicht der Fall, liegt keine Entsendung nach Deutschland vor.

Was versteht man unter dem Begriff Ausstrahlung?

§ 4 SGB IV

(1) Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
(2) Für Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt Abs. 1 entsprechend.

In § 6 SGB IV wird klargestellt, dass abweichende Regelungen des über - und zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben. Das heißt, dass diese vorrangig zu beachten sind.

Unter überstaatlichem Recht sind in erster Linie die Regelungen des europäischen Gemeinschaftsrechts für den Bereich der Sozialen Sicherheit zu verstehen.

Unter zwischenstaatlichem Recht sind die von der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten geschlossenen Sozialversicherungsabkommen zu verstehen.

Mitgliedsstaaten

Die Verordnung (EG) 883/04 und Durchführungsverordnung (EG) 987/2009 ist gültig seit 1. Mai 2010.

  • auf alle vier Sozialversicherungszweige anzuwenden.
  • gültig für Staatsangehörige der 28 Staaten der Europäischen Union (EU), des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und der Schweiz sowie für Staatenlose und Flüchtlinge, die in einem Mitgliedstaat wohnen.

Das sind folgende Staaten:

Belgien Kroatien Rumänien
Bulgarien Lettland Schweden
Dänemark Liechtenstein Schweiz
Deutschland Litauen Slowakei
Estland Luxemburg Slowenien
Finnland Malta Spanien
Frankreich Niederlande Tschechische Republik
Griechenland Norwegen Ungarn
Irland Österreich Vereinigtes Königreich
Island Polen Zypern (griechischer Teil)
Italien Portugal  

Der Nachweis, dass eine soziale Absicherung im Heimatland nach dem dortigen Sozialversicherungsrecht bei einer vorübergehenden Tätigkeit (Entsendung) als

  • Arbeitnehmer (auch: Minijobber, Seeleute)
  • Selbständiger oder
  • Beamter besteht,

erfolgt innerhalb Europas einschließlich der EWRStaaten und der Schweiz durch die international gültige Bescheinigung A1 (früher E101).

Wichtig! Durch Vorlage des A1 entfällt die Pflicht im europäischen Beschäftigungsland dem jeweiligen Sozialversicherungssystem des Auslandes anzugehören.

Wer stellt die A1-Bescheinigung aus?

Für versicherungspflichtig Beschäftigte und für Minijobber macht das die jeweilige Krankenkasse. Für nicht gesetzlich Krankenversicherte die Deutsche Rentenversicherung. Antragsformulare für die A1 Bescheinigung können bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (dvka) heruntergeladen werden. Bitte wenden Sie sich an Ihren Steuerberater, Lohnbüro oder Ansprechpartner in der Personalabteilung. Weitere Informationen zu A1-Bescheinigungen finden Sie im Onlinekurs Lohn & Gehalt > A1-Bescheinigung.

Zulässige Dauer der Entsendung

Die zulässige Höchstdauer beträgt bei Entsendung in Mitgliedstaaten 24 Monate. Ist der maximale Zeitraum ausgeschöpft, kann eine weitere Entsendung für

  • denselben Arbeitnehmer
  • dasselbe Unternehmen und
  • denselben Mitgliedstaat

erst nach einer Unterbrechung von mindestens zwei Monaten erfolgen.

Unterbrechung des Entsendezeitraums

Wird die Tätigkeit durch Krankheit, Urlaub, Lehrgänge oder ähnliches unterbrochen, stellt dies keine Unterbrechung des Entsendezeitraums dar, die eine Verlängerung der Entsendung zulassen würde.

Im Falle einer längeren Aussetzung der Arbeiten steht es den Betroffenen frei,

  • entweder die geplante Entsendedauer beizubehalten oder
  • die Entsendung zu beenden,
  • um – unter Berücksichtigung der notwendigen Unterbrechung von mindestens zwei Monaten – eine erneute Entsendung
  • derselben Person oder
  • einer anderen Person

zu veranlassen, falls die einschlägigen Voraussetzungen vorliegen.

Wann endet die Ausstrahlung?

Die Ausstrahlung endet bei einem Wechsel des Arbeitgebers (Ausnahme: Es handelt sich um einen Wechsel des Arbeitgebers aufgrund einer Betriebsübergabe nach § 613a BGB). Sowie bei Unterbrechung der Entsendung (Ausnahmen: Krankheits- oder Urlaubsgründe, Kurzzeitige Beschäftigung im Inland (z. B. zur Berichterstattung o. ä.) maximal für zwei Monate.

Kriterium- Kein Ruhen des deutschen Arbeitsverhältnisses

Während der Entsendung darf das deutsche Arbeitsverhältnis nicht ruhen. Damit ist gemeint, das die organisatorische Eingliederung des entsandten Arbeitnehmers in den in Deutschland ansässigen Betrieb weiterbestehen muss. Der wirtschaftliche Wert der Arbeit muss dem Betrieb in Deutschland zugeordnet werden können. Der Arbeitnehmer ist dem Direktionsrecht des deutschen Arbeitgebers unterstellt (ggf. in gelockerter Form) weiter unterstellt. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt muss sich gegen den deutschen Arbeitgeber richten. Ein sogenanntes „Rumpfarbeitsverhältnis“ erfüllt die Voraussetzungen für eine Entsendung. Eine Entsendung in eine mit dem deutschen Betrieb verbundene, rechtlich selbständige Konzerngesellschaft ist möglich.

Staaten mit Sozialversicherungsabkommen

Deutschland hat mit über 20 Staaten Abkommen über soziale Sicherheit geschlossen. Die Abkommen gelten jeweils nur für die vereinbarten Sozialversicherungszweige, z. B. nur für die Renten- und Arbeitslosenversicherung. Besteht kein Abkommen bzw. werden nicht alle Sozialversicherungszweige erfasst, gelten dann – mangels höherrangigem Recht – die Regelungen zur Ein- oder Ausstrahlung im Sozialgesetzbuch (§§ 3 und 4 SGB IV).

  Krankenver. Pflegever. Rentenver. Arbeitslosenve. Unfallver.
Republik Albanien     x x  
Australien     x x  
Bosnien-Herzegowina x   x x x
Brasilien     x x x
Chile     x x  
China     x x  
Indien     x x  
Israel     x x x
Japan     x x  
Kanada/ Quebec     x x  
Korea     x x  
Kosovo x   x x x
Marokko* x   x x x
Mazedonien x x x x x
Montenegro x   x x x
Republik Philippinen     x x  
Serbien x   x x x
Türkei x   x   x
Tunesien* x   x   x
Uruguay x x x x x
USA     x    
* Das deutsch-marokkanische und das deutsch-tunesische Abkommen beziehen sich nur auf die Staatsangehörigen der jeweiligen Vertragsstaaten. Bei allen anderen Abkommen spielt die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers keine Rolle.
 

 

Zeitdauer der Entsendung

Der maximale Zeitraum einer Entsendung bei Abkommenstaaten ist individuell mit Hilfe des jeweiligen Abkommens zu ermitteln.
Weitere Informationen zu den Abkommen enthalten die Merkblätter der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (dvka – www.dvka.de).

Wer ist zuständig?

Die Anwendung des Sozialversicherungsabkommens wird bei versicherungspflichtigen Beschäftigungen von der jeweils zuständigen Krankenkasse des Arbeitnehmers geprüft.
Bei Minijobs von der Minijobzentrale. Bei nicht gesetzlich Krankenversicherten macht dies die Deutsche Rentenversicherung.

Staaten ohne Sozialversicherungsabkommen

Für das vertragslose Ausland gibt es keine zeitlichen Vorgaben, jedoch muss auch hier die Entsendung im Voraus begrenzt sein. Die Vorschriften über die Ein- und Ausstrahlung (§§ 4 und 5 SGB IV) sind uneingeschränkt nur in solchen Fällen anzuwenden, in denen über- oder zwischenstaatliche Regelungen über das anzuwendende Versicherungsrecht nicht greifen. Dies ist der Fall, wenn es keine zwischenstaatliche Regelung gibt oder ein Sozialversicherungsabkommen nur für einzelne Teile der Sozialversicherung greift.

Hier nochmal die Kernpunkte des § 4 SGB IV:

Es muss eine Entsendung vorliegen. Es muss ein Beschäftigungsverhältnis (auch als Beamter) oder selbständige Tätigkeit im Inland bestehen. Die Dauer der Beschäftigung im Ausland muss zeitlich im Voraus begrenzt sein.

Wichtig! Ein Arbeitnehmer/Selbständiger unterliegt bei der Erfüllung der genannten Voraussetzungen bei einer Beschäftigung/selbständigen Tätigkeit im Ausland den deutschen Vorschriften über die Sozialversicherung.


Dabei gelten für die deutsche Sozialversicherung folgende Bedingungen:

  • Die Beschäftigung muss in Abhängigkeit und gegen Arbeitsentgelt erfolgen. Das heißt eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Zeit, Dauer, Ort und Art).
  • Die Weiterbeschäftigung nach Abschluss der Entsendung bei dem entsendenden Arbeitgeber muss gesichert sein.
  • Die Beschäftigung/selbständige Tätigkeit im Ausland muss im Voraus, zeitlich durch ihre Eigenart oder einen Vertrag begrenzt sein.
  • Die Entsendung ist im Rahmen der Höchstdauer verlängerbar

Wer ist zuständig?

Die Prüfung erfolgt bei versicherungspflichtigen Beschäftigungen von der jeweils zuständigen Krankenkasse des Arbeitnehmers. Bei Minijobs von der Minijobzentrale. Bei nicht gesetzlich Krankenversicherten macht dies die Deutsche Rentenversicherung.

Mögliche Doppelversicherung

Auch wenn seitens der deutschen Sozialversicherung die Fortgeltung deutschen Sozialversicherungsrechts im Rahmen der Ausstrahlung festgestellt wird, kann es sein, dass im Ausland gleichwohl Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind und es hierdurch zu einer Doppelversicherung kommt.

Letzte Aktualisierung: von Team lohnexperte.de

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